Warum die User Experience und ein funktionierendes Produkt wichtig sind und f*ck perfect auf alles andere.
Wie Kompliziert es ist, ein Paket International zu verschicken.
“Scheiße” sagte ich gestern, als ich ein Paket international versenden wollte. Ganz ehrlich, ich musste wirklich noch nie als Otto-Normalverbraucher ein Paket international verschicken, und das hat mich vor unvorhergesehene Herausforderungen gestellt.Die Aufgabe ist relativ einfach: Versender mit einer Versicherung finden, alles ausfüllen, ausdrucken, aufs Paket kleben, abholen lassen und auf die Zustellbenachrichtigung warten. So kennen wir diesen bereits 100-fach iterierten Prozess aus Deutschland. Und er läuft wie am Schnürchen. Also nimmt man an, dass auch das Prozedere ein internationales Paket zu verschicken, gleich oder ähnlich ist. Naja, Annahmen sind an sich ja ganz nett, aber die Realität ist eine Andere.
In der Realität gibt es zunächst keine direkten Informationen zu internationalen Versicherungen. DHL bietet z.B. einen perfekten Check-Out-Prozess an und man findet nach langem Suchen auch Infos zur Versicherung, allerdings gibt es im Check-Out-Prozess nicht die Möglichkeit eine zusätzliche Versicherung dazu zu buchen. Und was meiner Meinung nach noch schlimmer ist, ist die Tatsache, dass DHL eine Unterseite mit Infos zu den Versicherungen hat, aber keine Verknüpfung im Onlineshop. Auch wenn ich es übersehen habe, ist es ein eindeutiger UI/UX-Fail und das Produkt wird seinem Zweck nicht gerecht. Aber das Spiel geht noch weiter: Bei UPS wird man mit allen möglichen Versandmöglichkeiten konfrontiert, (man muss Profi sein, um sie zu kennen) berechnet aber keine Preise im “Preisrechner” – man kommt zu einem Preis, erst nachdem man ein ellenlanges Formular ausgefüllt hat, bzw. wenn man überhaupt soweit erst kommt! Denn mitten beim Ausfüllen wählte ich die Option, dass die Ware einen Akku hat. Und zack, geht es nicht mehr weiter, man wird lediglich zu einer Info-Seite geleitet, wo steht, dass man eine andere Versandart wählen muss. Wow, danke, dass ich 10 Min. meiner Zeit mit ausfüllen von anderen Infos beschäftigt war, und eine ausschlaggebende Information irgendwo in der Mitte steht. Ähnliches Spiel bei FedEx: keine Preise, aber viel Blabla wie toll sie sind. Ja, sie müssen sich so fühlen, sie haben schließlich die größte Flugzeugflotte weltweit.
Im Prinzip kann man mit Bugs leben, aber man kann die User Experience nicht auf ein Bauernniveau
reduzieren, nicht im Zeitalter von überall verfügbaren Informationen und Möglichkeiten. Und liebe
Logistiker: wenn ihr für den Verbraucher Services im Angebot habt, dann bietet nutzerzentriert nach
neuesten UI/UX Standards eine validierte User Journey an, die auch jeder größte Idiot versteht und nutzen
kann.
Im Jahr 2020 konnte ich mir nicht vorstellen, dass der Versand eines Pakets für einen Außenstehenden so
komplex sein kann. Und die Komplexität besteht v.a. im Wust der Möglichkeiten und der fehlenden
Transparenz. Die Seiten der Anbieter helfen mir als User nicht wirklich weiter, sie verkomplizieren nur den
Prozess und stehlen unersetzliche Zeit. Wenn Google Pakete verschicken würde, würde es eine einzige
Suchzeile anbieten, in die man nur ein paar Keywords scheiben müsste und das System im Hintergrund
würde das perfekte Angebot finden. Es ist “doch” nicht soooo kompliziert einen sauberen und einfachen
Einstieg und danach weitere Filter & Einstellungsmöglichkeiten anzubieten: “Radio” versenden > Land
wählen > Paketgröße eingeben > Versicherung ja/nein > Express o. Normal > Zollformular ausfüllen >
Bezahlen & Etikett ausdrucken. Fertig
Aber alles halb so schlimm: wer sucht wird auch fündig, und anscheinend haben die Macher von Jumingo die
oberhalb beschriebenen Probleme schon vor langer Zeit gesehen und in einer eigenen Lösung / Plattform
umgesetzt: das Portal bietet einen sehr schnellen Einstieg in die Preisberechnung und in die Konfiguration,
so, wie es sein soll: einfach und unkompliziert. Allerdings konnte das Portal mein Vertrauen ebenfalls nicht
gewinnen, als es sich herausgestellt hat, dass trotz einer zusätzlichen Versicherung, sie Computer, Handys
& Co. nicht versichern. Schade.
Kann mir nun bitte jemand sagen, warum weltweit bekannte Konzerne ein so einfaches User Interface nicht
auf die Reihe bekommen? Und genau an dieser Stelle gilt kein f*ck perfect, und auch keine Aussage wie 80%
sind besser als 100%. Hier geht es um den Feinschliff eines Produktes, welcher auf dem Markt ist und für
User gemacht wurde. Es geht um weitere Investitionen und Iterationen in der Entwicklung, um
Kundenzentriertheit und um ein Erlebnis der Usability. Wir wissen alle, dass je größer ein Konzern ist, desto
komplexer sogar die kleinsten Prozesse werden und sogar eine Corona-App den Deutschen Steuerzahler 20
Mio. Euro kosten kann. 20 Mio. € für welche Funktionalität? Ok, ist ein anderes Thema, vielleicht gehen wir
es in naher Zukunft an… Zurück zur Experience und zum Thema Produktentwicklung.
Im Umkehrschluss bedeutet es, dass durch die Größe und die Komplexität der großen Konzerne, kleine
Unternehmen die Möglichkeit haben sich anzudocken und mit smarteren Ideen Geld zu verdienen und den
Biggest Dumbs da draußen zu helfen. Irgendwie blöd, nicht wahr?